Eröffnungsrede

Gehalten am 24.10.2009 von Jo Schumacher

Liebe Familie, liebe Freunde, liebe Gäste,

manchmal werden Ideen dadurch geboren, dass man einen gegenwärtigen Zustand verändern will. Und diese Idee kommt dann wie ein guter Boogie Woogie richtig in Fahrt, wenn man erkennen muss, dass der vorfindliche Zustand ein Misstand ist. Der nicht hinnehmbare Missstand ist der folgende:
Es gibt in ganz Deutschland nach unserer Recherche - und damit meine ich Uwe Esselmann, Andreas Merk, Thomas Aufermann, meine liebe Frau Viona und mich KEINEN- jedenfalls keinen offiziellen - Musikpreis für Boogie Woogie. Wer das nicht glaubt, möge googlen oder was wir getan haben, einen Notar beauftragen, sich zu erkundigen.

Es gibt trotz einer lebendigen, vielgestaltigen deutschsprachigen Boogie-Woogie-Szene bisher keinen diesbezüglichen Musikpreis. Für alles andere finden sich sogar zahlreiche Auszeichnungen:
in Klassik, Pop, Rock, Blues, Volksmusik, ja auch im Jazz, aber es gibt eben keinen Boogie-Woogie-Preis, der die Hörwelten und Erlebniswelten, die in deutschen Landen tagtäglich an Klavieren und auf Flügeln zur Freude vieler entstehen, gewürdigt und wertschätzt.

Es ist keine Seltenheit, dass man Menschen begegnet, die die für uns magischen Wörter Boogie Woogie noch nie gehört haben und irritiert fragen: "Was ist das denn?" Und das ist auch niemandem vorzuwerfen. Wie soll man denn auch als jüngerer Radiohörer und Fernsehgucker Boogie Woogie überhaupt kennen können, wenn er de facto in den Musik-Programmen fast gar nicht vorkommt?

Und dann gibt es die deutsche Boogieszene, mit ihren zahlreichen Pianisten, und..(mit Blick auf meine Tante Eva Rieger die als Musikprofessorin Genderforschung betreibt, muss ich sagen) leider ganz wenigen Pianistinnen, mit ihren Sängerinnen (da sind sie wieder dabei!) und Sängern, den verschiedensten Instrumentalisten, mit ihren Impressarios, Liebhabern, Forschern, Freunden und Fans.
Diese Szene - und als Theologe sage ich gern: - Gemeinde missioniert und missioniert und missioniert, meistens an den Abenden, wenn auf dem Ersten der Musikantenstadl läuft und auf 3Sat eine Dokumentation über neue Freejazz-Konzepte in Argentinien. Unermüdlich wird Boogie Woogie gespielt, in Kneipen, in Konzertsälen, auf Jazz-Festivals, auf Verkaufsmessen, auf Hochzeitsfeiern (manchmal unter erschwerten Bedingungen "Spiel doch mal den Flohwalzer") usw usw usw. oder eben wie heute Abend hier bei uns.

Die Zeiten, in denen es keinen Musikpreis für Boogie Woogie gegeben hat, sind ab heute vorbei.
Heute, am 24. Oktober 2009, wird er ins Leben gerufen. Und wir dürfen dieses mit Euch feiern.

Ich darf nun Thomas Aufermann, Andreas Merk, Uwe Esselmann und Viona nach vorne bitten.
Wir 5 sind die Begründer der Auszeichnung, die alle zwei Jahre in verschiedenen Kategorien verliehen werden soll. Wir entscheiden uns bewusst dafür, dass es statische Kategorien gibt und flexible, d.h. dass die statischen Kategorien Bestandteil jeder Preisverleihung sein werden, und die flexiblen erst jeweils vor der Preisverleihung festgelegt. In dieser Entscheidung spiegelt sich das Wesen des Boogies wider: Er enthält einerseits statische Elemente und andererseits kreativ fließende.

Das war schon beim Urknall des Boogies im Jahre 1928 nicht anders. Da ging Clarence "Pinetop" Smith aus Chicago, gerade mal 24 Jahre jung ins Studio und spielte das bekannteste Boogiestück aller Zeiten ein und überhaupt das erste, das die Bezeichnung Boogie Woogie im Namen trug: Pinetop's Boogie Woogie. Nur ein Jahr später kam er ums Leben, 25jährig wurde er bei einer Wirtshausschießerei in Chicago erschossen.
Der Boogie Woogie aber lebte weiter, entwickelte sich weiter, wurde in den USA zur Vollendung und Meisterschaft geführt durch Albert Ammons, Pete Johnson und Meade Lux Lewis.
In Deutschland waren es Axel Zwingenberger und Vince Weber, die die meisten von uns Spielern so begeistert haben, dass wir am Plattenspieler saßen und unseren Ohren nicht trauten, dass man so spielen kann. Dass man aus einem Klavier so coole – oder sagen wir besser : heisse - Musik herausholen kann.
80 Jahre nach Pinetops Tod, und nach 80 Jahren ohne deutschen Musikpreis für Boogie Woogie begründen wir heute den ....German Boogie Woogie Award Pinetop!